Daten
13. Mai 2025

Die Klimabilanz für den SPNV in NRW 2023

401.828 Tonnen CO2 verursachen die Nahverkehrsbahnen und der Schienenersatzverkehr in NRW.


Die Ausgangslage ist einfach: Für die Verkehrswende in NRW ist der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) unabdingbar. Kein Bereich der Mobilität ist so klimafreundlich wie der Verkehr auf der Schiene, abgesehen vom Fuß- und Radverkehr. Doch um den weiteren Umstieg der Menschen durch gezielte Maßnahmen forcieren zu können, braucht es – bezogen auf das Klima – Erkenntnisse über den aktuellen Zustand des Systems. Genaue Zahlen darüber, wie viel CO2 der SPNV ausstößt, gab es bisher noch nicht. Die SPNV Klimabilanz NRW ändert das. 

Immer mehr Bahnen fahren elektrisch

Die CO2-Bilanz des Wuppertal Instituts hat realistische Emissionszahlen für den SPNV in NRW hochgerechnet. Ein Blick auf das Jahr 2023 zeigt einen Ausstoß von rund 400.000 Tonnen CO2. Dabei entfallen rund 229.000 Tonnen auf die Stromtraktion, rund 156.000 Tonnen auf die Dieseltraktion und rund 16.000 Tonnen auf den Schienenersatzverkehr. 

„Die Klimabilanz gibt uns die Möglichkeit, die Klimawirkung der verschiedenen Verkehrsmittel zu vergleichen – hier sieht man, dass der Schienenpersonennahverkehr wesentlich klimaschonender ist als etwa der Pkw-Verkehr und welchen Klimavorteil elektrisch angetriebene Züge gegenüber Dieselantrieben haben."

Thorsten Koska

Wuppertal Institut, Forschungsbereich Mobilität und Verkehrspolitik

Pro Zugkilometer bedeutet das rund 3,2 Kilogramm (kg) COauf der Stromtraktion und rund 5 kg, wenn mit Diesel gefahren wird. Auch der spezifische Ausstoß der unterschiedlichen Angebotsarten kann erstmals ausgewiesen werden: Auf die Regional-Express-Linien entfallen 152.000 Tonnen, die Regionalbahnen schlagen ebenfalls mit rund 152.000 Tonnen zu Buche und S-Bahnen mit rund 80.000 Tonnen. Für den Rest ist der Schienenersatzverkehr verantwortlich.

Was ergibt sich aus diesen Werten? Die Analyse zeigt, wieviel klimafreundlicher strombetriebene Züge gegenüber Dieselzügen in NRW sind. Denn 70 Prozent der Verkehrsleistungen werden mit Strom durchgeführt, auf sie entfallen aber nur 56,8 Prozent des CO2-Ausstoßes. 

Klar ist auch, dass in NRW besondere Anstrengungen unternommen werden müssen, derzeit noch dieselbetriebene Linien möglichst schnell auf Strom oder dort, wo dies selbst mittel- bis langfristig nicht möglich sein wird, auf alternative Antriebe umzustellen. Außerdem gilt es zu beachten: Die Stromtraktion wird klimafreundlicher, je mehr grüner Strom in Deutschland hergestellt wird. Das zeigt auch die Potenzialabschätzung des Wuppertal Instituts für das Zielnetz 2040.

Methodisches Vorgehen

Die Forschenden des Wuppertal Instituts haben für ihre Berechnungen zur Klimabilanz verschiedene methodische Vorgehensweisen genutzt, die nachfolgend erläutert werden.

Territorialprinzip

Die Klimabilanz wurde nach dem Territorialprinzip erstellt: Es wurden alle Angebotsformen im SPNV – Regionalexpresszüge, Regionalbahnen, S-Bahnen sowie Schienenersatzverkehre – und die dadurch verursachten CO2-Emissionen innerhalb der Grenzen von Nordrhein-Westfalen bilanziell berücksichtigt. 

Clusterbildung für die zugkilometerspezifischen Energieverbräuche

Zur Berechnung der zugkilometerspezifischen Energieverbräuche im SPNV NRW wurden zwölf Liniencluster mit vergleichbaren Bediengebieten sowie Schienenfahrzeugen mit ähnlichen Strom- und Kraftstoffverbräuchen gebildet.  Dieses Vorgehen wurde zur Vereinfachung der Berechnung gewählt, da es 20 verschiedene Zug- und Triebwagentypen auf mehr als 100 SPNV-Linien gibt. Dabei können die zugkilometerspezifischen Energieverbräuche u.a. aufgrund topographischer Bedingungen oder auch der Wagenzahl variieren. Auf Basis von durchschnittlichen Verbrauchsdaten ausgewählter Eisenbahnunternehmen konnte für jedes der zwölf Cluster der fahrzeugkilometerspezifische Strom- oder Dieselverbrauch abgeschätzt werden. Anschließend wurden die 2023 auf allen SPNV-Linien in NRW erbrachten Zugkilometer aufgeschlüsselt und den jeweiligen Verbrauchsclustern zugeordnet. Danach wurden die auf den Linien des jeweiligen Clusters insgesamt zurückgelegten Zugkilometer mit den Verbrauchsfaktoren der Cluster multipliziert.

Extra-Berechnung für die Fahrleistung im Schienenersatzverkehr

Die Klimabilanz für den SPNV NRW schließt auch die CO2-Emissionen ein, die durch Schienenersatzverkehre (SEV) entstehen. Die insgesamt im Schienenersatzverkehr zurückgelegten Kilometer wurden mit dem durchschnittlichen Verbrauch konventioneller Dieselbusse im Linienverkehr multipliziert. Um die Umwege des Schienenersatzverkehrs gegenüber dem Zug zu berücksichtigen, wurde die Verkehrsleistung mit dem Faktor 1 Zugkilometer : 1,5 Fahrzeugkilometer im SEV berechnet. 

Berücksichtigung der Emissionen aus der Stromerzeugung

Die Klimabilanz für den SPNV NRW weicht bei der Zuweisung der Emissionen zu den jeweiligen Verursachern vom Treibhausgas-Emissionsinventar des LANUV NRW ab. Das Emissionsinventar weist dem Schienenverkehr nur die Emissionen aus dem Verbrauch von Kraftstoffen zu, während die strombedingten Emissionen dem Sektor der Energiewirtschaft zugeordnet sind. Für die Klimabilanz haben sich die Forscher/innen des Wuppertal Instituts bewusst dafür entschieden, dem SPNV auch die Emissionen aus dem Stromverbrauch zuzuweisen, um einen Vergleich der beiden Antriebsarten hinsichtlich ihrer Klimaschutz-Potenziale zu ermöglichen.  

Daten zu Fahrgastzahlen im SPNV NRW

Für die CO2-Bilanz auf Basis der Personenkilometer wurden die aus Verkehrserhebungen gewonnenen Daten zu Fahrgastzahlen und den jeweils zurückgelegten Distanzen auf den verschiedenen SPNV-Linien genutzt. Lagen die linienspezifischen Daten für 2023 nicht vor, wurde auf Daten aus dem NRW-Verkehrsmodell zurückgegriffen.

NRW-spezifischer CO2-Emissionsfaktor Personenkilometer SPNV

Zur Berechnung der CO2-Emissionen wurde vorab ein NRW-spezifischer CO2-Emissionsfaktor Personenkilometer SPNV entwickelt: sowohl für die Strom- als auch für die Dieseltraktion. Mit diesem lassen sich die Spezifika und Besonderheiten des SPNV-Angebots in NRW sowie Art und Umfang der Nutzung abbilden. Der Emissionsfaktor beschreibt jeweils spezifisch für das betrachtete Verkehrsmittel, wie viel Energie es verbraucht und wie viel CO2 emittiert wird, um eine Person einen Kilometer zu befördern. Der Emissionsfaktor für die Personenkilometer steht somit in direktem Zusammenhang mit der Auslastung eines Fahrzeugs. Er sinkt mit steigender Auslastung des Fahrzeugs und steigt, wenn die Auslastung zurückgeht. 

NRW-spezifischen Fahrzeugauslastung

NRW ist durch eine Reihe von Spezifika charakterisiert, die eine höhere Auslastung der eingesetzten Fahrzeuge als im Bundesdurchschnitt vermuten lassen. Diese Besonderheiten sind beispielsweise die vielen Ballungsräume, eine hohe Zahl von Menschen im Einzugsbereich von SPNV-Linien und die höchste Bevölkerungsdichte aller Flächenbundesländer in Deutschland. Die höhere Fahrzeugauslastung wurde in allen Berechnungen berücksichtigt.

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Quellen

go.Rheinland, Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) (2024): Verkehrsleistung des Schienenersatzverkehrs in Nordrhein-Westfalen in 2023 (nicht veröffentlicht). Köln, Gelsenkirchen.

Kompetenzcenter Integraler Taktfahrplan (KCITF) (2024): Verkehrsleistung des SPNVs in NRW für das Jahr 2023 auf Basis der Zugkilometer (nicht veröffentlicht). Bielefeld.

Kompetenzcenter Integraler Taktfahrplan (KCITF) (2024): Verkehrsleistung des SPNVs in NRW für das Jahr 2023 auf Basis der Platzkilometer (nicht veröffentlicht). Bielefeld.

PTV Planung Transport Verkehr (PTV) (2024): Verkehrsleistung des SPNVs in NRW für das Jahr 2023 auf Basis der Personenkilometer. Auszug aus dem NRW-Verkehrsmodell (nicht veröffentlicht). Dresden.

Umweltbundesamt (2025): Vergleich der durchschnittlichen Emissionen einzelner Verkehrsmittel im Personenverkehr in Deutschland 2023. Dessau. Online verfügbar unter https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr/emissionsdaten#verkehrsmittelvergleich_personenverkehr_tabelle. Letzter Zugriff am 28. April 2024.